Nach meiner Geburt im Jahr 1979 in Nairobi, Kenia und zwei Jahren Aufenthalt zogen meine Eltern und ich in die Vereinigten Staaten, um dort bald ein weiteres Mitglied unserer Familie in unseren Reihen zu begrüßen, meine Schwester Sylvia, und um ohne es zu wissen, die Grundlagen für ein Bündnis zu legen, dass noch manchen späteren Sturm letztendlich in die Schranken weisen sollte.
Wir lebten in der Inverness Ridge Road, Potomac, Maryland, einem Vorort von Washington D.C, und meine Tage bestanden aus "Stifte malen", also dem dem Malen von Bildern, meiner Mutter beim Shoppen zu folgen und sie imitierend, kopfschüttelnd das Preisschild zu betrachten - "Zu teuer, Mama" - und mit meinen Freunden im riesigen Wald hinter dem Haus zu spielen wo es einen großen weißen Felsblock, ein Klettertipi und einen Spielplatz gab und irgendwo draußen das sagenumwobene Baumhaus der älteren Jungs. Ich war bei den Boy Scouts, ging in einen amerikanischen Kindergarten und später auf die Deutsche Schule Washington. Jackie, die waschechte Bilderbuch-Busfahrerin mit wallendem knallroten Haar am Steuer des gelben amerikanischen Schulbusses grüßte mich immer herzlich und gab mir Frohsinn und Sicherheit und so hatte ich eine Kindheit mit Peanut Butter & Jelly Sandwiches, Macaroni & Cheese (tm) und Erfahrungen mit der amerikanischen Kultur und ihren Umgang mit Kindern, für die ich mich heute noch gesegnet fühle.
In den Winterzeiten stand der Schnee so hoch, dass ich durch ihn durch gehen konnte und es war immer noch welcher über mir, wir fuhren in leuchtend orangen und blauen Plastikwannenschlitten die Abhänge des Waldes hinunter und quietschten vergnügt, um uns danach zuhause mit Kakao mit kleinen Marshmallows aufzwärmen.
In den Sommerzeiten jedoch war ich ein stolzes Mitglied des Inverness Swim Teams, mit Nessie als Schutz-Tier und den Farben weiß und grün. Den Kapuzenpullover von damals bewahre ich immer noch als einen meiner größten Schätze.
Ich war kein besonders guter Schwimmer, und nutzte am liebsten den Spaß des im Zentrum des Ortes gelegenen Pools mit Tennisanlage, wo mein Vater spielte.
Ein bisschen Planschen, mit den anderen Kindern spielen. Und wenn der Eiswagen kam, mit den neuesten Produkten der Eisindustrie, fragten wir unsere Eltern um Geld und rannten barfuß über den glühend heißen Asphalt.
Es gab auch einen Automaten mit Grape Soda, Root Beer und Cream Soda. Getränken, die Europäern nach meinen eigenen Tests zufolge zumeist die Haare zu Berge stehen lassen - aber die für mich immer nach Inverness und Liebe schmecken werden.
Eines Sommers begab es sich, dass ich völlig verrückt war nach einem Playmobil-Fort. Fort Randall.
Es war großartig, mit Palisaden und Soldaten, die man ausrüsten und positionieren konnte. Ich wollte nichts lieber auf der Welt als Fort Randall, es war nur Fort Randall von morgens bis abends. Aber es war viel zu teuer für mich.
Mein Vater erbarmte sich, bzw. nutzte die Chance und machte mir ein Angebot.
Sollte ich ein blaues Bändchen nach Hause bringen vom nächsten Schwimm-Wettkampf, dann würde ich Fort Randall bekommen.
Es gab die Plätze Vier bis Eins in den verschiedenen Grundfarben.
Ich blickte traurig auf den Boden und sagte ihm, dass ich das nie schaffen würde.
Er erwiderte: "Wenn du schwimmst" - und meine Diziplin war das Kraulen - "dann denkst du mit jedem Zug
"Fort Randall, Fort Randall" und ziehst so gut du kannst durch.
Wir schlugen ein.
Der Tag des Wettkampfes schien die Sonne und ich erinnere mich wage an die allgemeine festliche Stimmung. Aber nicht an viel mehr, denn ich hatte etwas neues in mir, etwas dass ich vorher nicht hatte. Keine Softdrinks, kein Eis, kein Planschen konnte diesen Hunger stillen.
Es ging nur noch um etwas was mein Vater in meinen Kopf gepflanzt hatte, und um etwas, das in meinem Kinderherzen ganz ganz wichtig war.
Die Pistole ehob sich zum Himmel über Maryland, "On your mark... get set...GO!" und ich stürzte mich in die Fluten der Bahn. Während die Menge uns alle anfeuerte,
hörte ich nur tatsächlich diese Stimme im Kopf: "Fort Randall, Fort Randall".
Das nächste an was ich mich erinnere ist, daß ich, nach unserem traditionellem Team-French-Fry-Essen bei Roy Roger's (tm) immer noch tropfend vor meinem Vater stand und vier Bändchen in der Hand hielt.
Es waren zwei blaue. Und zwei schwarze.
Die blauen bedeuteten : Erster. Die schwarzen waren daran hinzugefügt: Erster mit Abstand.
Es war Zeit, sich die Belohnung abzuholen und ich bat meinen Vater um meine zwei Fort Randall's.
Das war gar nicht gierig gemeint, nur reine Logik. Aber mein Vater erteilte mir mit einem "Also, weißte..."
direkt die nächste eine Lektion, die des bescheidenen Siegers.
Viele Jahre später fand ich in unserer Garage in Deutschland Teile von Fort Randall wieder und musste lächeln.
Wie glücklich ich mit so etwas war, kleine Haufen mit den jeweiligen Ausrüstungsgegenständen zu machen, die Pferde aufzureihen, und die Soldaten möglichst fair einzudecken.
Dann alles wieder auf die Haufen, und von vorne, den lieben langen Tag. Die Bändchen und das Fort sind bei Umzügen verloren gegangen.
Die Lektion ist geblieben. Auch wenn sie in den Tiefen des Alltags oft untergeht. Wenn ich im Leben etwas wirklich will, weiß ich, dank meiner Eltern, wie ich es zumindest versuchen kann, solange alles in geordneten Bahnen bleibt. Auf den Startblock. Die innere Pistole gegen den Himmel über Maryland gerichtet. Den inneren Wunsch im Brustkorb und hinter den Schläfen pochend. On Your mark. Get set. Go.
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